Der Begriff Achtsamkeit/Mindfulness hat seit einigen Jahren in unsere Gesellschaft Einzug gehalten und Wurzeln geschlagen. Der amerikanische Molekularbiologe Jon Kabat-Zinn machte mit seinem Stressreduktionsprogramm MBSR - Mindfulness Based Stress Reduction den Anfang.
Seitdem ist der Achtsamkeitsbaum in die Höhe geschossen, um es poetisch auszudrücken – viele neue Äste haben sich gebildet.
Als MBSR-Lehrerin und Musikerin war es mir immer ein großes Anliegen, Musiker*innen mit einer "Mindfulness based Intervention" noch gezielter unterstützen zu können in Bezug auf das nicht immer so einfache Musikerleben, wie wir auch im obenstehende Zitat von der Deutsche Gesellschafft für Musikphysiologie und Musikermedizen sehen können.
Mit diesem Achtsamkeits Intervention möchte ich einen neuen Ast aus dem Mindfulness Baum sprießen lassen, einen Zweig, den ich

Mindfulness Based Musician Performance nenne –

zu Deutsch:

Auf Achtsamkeit basierende Musiker Performance/ Achtsamkeitsbasierte Musiker Performance

Den Begriff Musician Performance dehne ich hier ganz weit aus. Es handelt sich dabei nicht allein um die Performance, die auf der Bühne stattfindet, sondern um jeden Akt in uns, der mit Musik in Verbindung steht. Das kann beispielsweise ein bloßer Gedanke, das Auspacken eines Instruments, das Einatmen vor dem Tonansatz oder der Weg nach Hause nach einer Probe sein, einfach all das, was in irgendeiner Form mit der MusikerIn in uns in Verbindung steht.

Der gegenwärtige Augenblick mit seinen „unmittelbaren Erfahrungen“ ist das Kernstück der Achtsamkeit. Jeder von uns besaß als kleines Kind die Fähigkeit mit allen unmittelbaren Wahrnehmungen, die gerade da sind, eins zu sein. Unsere „spielerische“ Forschernatur hat sich „ausgetobt“. Leider verhält es sich scheinbar so, dass der Augenblick, das Jetzt umso kleiner wird, je größer wir werden. Wir verlieren den Kontakt zu den unmittelbaren Erfahrungen. Unsere spielerische Forschernatur bleibt auf der Strecke.

Wir verbringen plötzlich die meiste Zeit in der Vergangenheit oder in der Zukunft. Die Musik aber spielt weder im Gestern noch im Morgen, sie spielt nur im Hier und Jetzt. Musiker*innen performen im Hier und Jetzt. Das heißt, wir müssen in dem Präsenz, in der Gegenwart, stark verwurzelt sein. Wir müssen da sein, wo die Musik ist. Durch Achtsamkeit stärken wir unser Bewusstsein für das Jetzt. Dabei schärfen wir unsere Wahrnehmungen wie körperliche Empfindungen, emotionale Erfahrungen sowie das Sehen und das Hören. So können wir als Musiker*innen voll und „spielerisch“ in der Musik aufgehen, uns „austoben“ – in dieser unmittelbaren Erfahrung. Um genauer zu verstehen welche Fähigkeiten trainiert werden, wenn wir Mindfulness praktizieren, habe ich einige wichtige Merkmale aufgelistet und sie in einen für Musiker*innen relevanten Kontext gebracht.

Präsenz: Wie bin ich beim Musizieren, ganz im Hier und Jetzt präsent, anstatt mich gedanklich mit der Vergangenheit oder der Zukunft zu beschäftigen 0der mich von Sorgen, Plänen, Tagträumen usw. ablenken zu lassen.

Wertfreiheit: Wie beobachte und erkenne ich, wie lasse ich mich auf den Lernprozess ein, ohne mich ständig von Urteilen und Verurteilungen des inneren Kritikers stören zu lassen.

Geduld: Wie lerne ich Geduld mit mir selbst und anderen, und zu akzeptieren, dass alles und jeder sein eigenes Tempo hat.

Offenheit: Wie bleibe ich in einer offenen, neugierigen und „nicht-wissenden“ Haltung, wenn ich musiziere.

Selbstvertrauen: Wie gewinne ich Selbstvertrauen und ein Gefühl von verankert in mir zu sein, wenn ich musiziere.

Absichtslosigkeit: Wie eröffne ich einen stressfreien Raum, in dem auch Fehler, Experimente und Spontanität
willkommen sind, wenn ich musiziere.

Akzeptanz: Wie lerne ich den Widerstand gegen das, was Hier und Jetzt passiert, aufzugeben, um stattdessen konstruktiv damit umzugehen.

Loslassen: Wie kann ich Grübeleien, Verspannungen und Stress loslassen.

Freundlichkeit und Mitgefühl: Wie begegne ich mir selbst und anderen freundlich und liebevoll.

Grenzen: Wie werde ich meiner physischen und psychischen Grenzen bewusst.

Eigenfürsorge: Wie gewinne ich Klarheit über meine eigenen Bedürfnisse, damit ich mein Bestes geben kann.

Selbstdisziplin und Selbstverantwortung: Wie übernehme ich Verantwortung für meine Wünsche und Handlungen.

Innere Balance: Wie gehe ich mit Stress und Lampenfieber um, um meine innere Balance im Gleichgewicht zu halten.

Regeneration: Wie finde ich Ruhe, um Kraft zu tanken. Wie werde ich mir dessen bewusst, was für mich gesund und gut ist.

Körperwahrnehmung: Wie nehme ich Kontakt mit dem Körper und mit Körperwahrnehmungen auf.

Mentale Wahrnehmung: Wie nehme ich Gedanken und Gefühle wahr, ohne mich damit identifizieren zu müssen.

Atemwahrnehmung und Atembewusstsein: Wie trete ich mit meiner Atmung in Kontakt. Wie lerne ich sie kennen und freunde mich mir ihr an.

Friede, Zufriedenheit und Dankbarkeit: Wie öffne ich mich gegenüber der Schönheit und der Kraft des Augenblicks.

Die Grundlagen für MBMP bildet mein Buch „Auftakt“.

Das Buch ist im deutschen Arbor-Verlag erschienen:
https://www.arbor-verlag.de/bücher/aspekte-und-wege-der-achtsamkeit/auftakt

Das Buch ist im Buchhandel, bei mir im Shop und beim Arbor Verlag erhältlich.

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